25.09.2016 Druckversion

Ein längst überfälliger Schritt

Die EU-Kommission will mit der Unterzeichnung einer Rahmenvereinbarung mit Kuba den „Gemeinsamen Standpunkt“ der EU gegenüber dem sozialistischen Land aus dem Jahre 1996 ersetzen.
Foto: Prensa Latina
Foto: Prensa Latina

Es ist ein längst überfälliger Schritt: Der „Gemeinsame Standpunkt“ der Europäischen Union zu Kuba aus dem Jahr 1996 soll endlich aufgehoben werden. In der Pressemitteilung der Europäische Kommission vom 22. September 2016 heißt es dazu: „Die Europäische Kommission hat den an den Rat gerichteten Vorschlag über die Unterzeichnung des Abkommens über politischen Dialog und Zusammenarbeit mit Kuba angenommen. ... Parallel hat die Hohe Vertreterin Federica Mogherini dem Rat einen Vorschlag für eine förmliche Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts der EU aus dem Jahr 1996 zu Kuba übermittelt.“ Weiter heißt es in der Erklärung, dies werde einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen der EU und Kuba herbeiführen. „Sobald das Abkommen unterzeichnet ist, wird es das Instrument darstellen, das für die auswärtigen Beziehungen der EU zu Kuba maßgeblich ist, und den Gemeinsamen Standpunkt von 1996 ersetzen.

Die drei wichtigsten Punkte in diesem Abkommen sind der politische Dialog, die Zusammenarbeit und der sektorpolitische Dialog sowie der Handel und die handelspolitische Zusammenarbeit. Das Abkommen solle, so die EU-Kommission, „zur Verbesserung der Beziehungen der EU zu Kuba beitragen, indem der Prozess der Modernisierung der kubanischen Wirtschaft und Gesellschaft, der Dialog und die Zusammenarbeit zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung, der Demokratie und der Menschenrechte sowie die Suche nach gemeinsamen Lösungen für globale Herausforderungen“ gefördert werde.

Der „Gemeinsame Standpunkt“ der EU wurde vor 20 Jahren, am 2. Dezember 1996, beschlossen. Maßgeblichen Anteil am Zustandekommen dieses Papiers hatte der rechtskonservative spanische Ministerpräsident José Maria Aznar. Im „Gemeinsamen Standpunkt“ hieß es u.a. dass die EU in ihren Beziehungen zu Kuba das Ziel verfolge, „einen Prozess des Übergangs in eine pluralistische Demokratie“ zu fördern und ihre Zusammenarbeit mit Kuba davon abhängig mache, „wie die kubanischen Behörden Fort­schritte auf dem Weg zur Demokratie“ vorweisen können. Die Bundesrepublik Deutschland gehörte lange Zeit zu den Ländern, die diesen „Gemeinsamen Standpunkt“ unterstützte und eine Normalisierung der Beziehungen zu Kuba blockierte – auch noch, nachdem mehrere Mitgliedsstaaten der EU schon bilaterale Verträge mit Kuba abgeschlossen und somit dieses EU-Papier quasi außer Kraft gesetzt hatten.

Aber auch mit dem nun ausverhandelten Abkommen kann und will die EU doch nicht so ganz aus ihrer Haut. Zwar spricht man jetzt nicht mehr davon, die Beziehungen zu Kuba vom Übergang des Landes „in eine pluralistische Demokratie“ abhängig zu machen; das Abkommen solle aber, laut der schon zitierten Presseerklärung, doch den Rahmen bieten „für die Förderung der europäischen Werte ... und für die Unterstützung des Wandlungsprozesses in Kuba“.

Die Unterschriften unter das Abkommen mit der sozialistischen Insel werden der vorläufige Höhepunkt eines Prozeses sein, der mit der vorsichtigen Wiederbelebung des Dialogs im Jahr 2008 begonnen hat. Für Kuba ist es von großer Bedeutung, dass dieses Abkommen nun auch formell den „Gemeinsamen Standpunkt“ der EU beendet. In der Präambel wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Völker das Recht hätten, über ihr politisches, wirtschaftliches und soziales System selbst zu entscheiden. Beide Vertragsseiten verpflichten sich, das System und die Verfassung des Vertragspartners zu respektieren und sich nicht in die interen Angelegenheiten des anderen einzumischen. Ebenfalls festgeschrieben für beide Seiten wurde der Respekt und die Verteidigung der Menschenrechte in ihrer Gesamtheit.

Möglich geworden ist dieses Abkommen vor allem durch die veränderten politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Kuba hat die entbehrungsreiche Zeit der „Spezialperiode“ der 1990er Jahre überwunden, ist zu einem anerkannten und gleichberechtigten Partner in Lateinamerika geworden und hat international neue und starke Partner gefunden. Die USA hatten sich mit ihrer jahrzehntelangen konfrontativen und aggressiven Kuba-Politik sowohl in Lateinamerika als auch international isoliert. Diese veränderte politische Situation zwangen die USA dazu, das Scheitern ihrer Kuba-Politik öffentlich einzugestehen und ihren Standpunkt zur sozialistischen Insel zu ändern. Ein erster Höhepunkt dieses Prozesses waren die Ankündigungen von Barack Obama und Raúl Castro am 17. Dezember 2014, die Beziehungen beider Länder verbessern zu wollen. Die dann begonnenen Verhandlungen zwischen Kuba und den USA und in der Folge auch das Einlenken der EU in der Kubafrage sind Ergebnisse dieses Prozesses. Niemals hätten weder USA noch EU mit einem wirtschaftlich und politisch schwachen Kuba verhandelt.

Die internationale Solidaritätsbewegung hatte in unzähligen Veranstaltungen und Aktionen bereits seit 1996 immer wieder die Aufhebung des „Gemeinsamen Standpunktes“ gefordert. Und nun steht – nach der Freilassung der Cuban Five – die Erfüllung einer weiteren Forderung der Solibewegung unmittelbar bevor. Nicht ganz ohne Stolz können wir sagen, dass die Solidaritätsbewegung für Kuba auch einen kleinen Anteil an diesem politischen Erfolg Kubas hat.

Aber unsere Unterstützung für das sozialistische Land geht trotzdem weiter. Die Liste der noch nicht gelösten Probleme ist lang: die Beendigung der US-Blockade, die Entschädigungen für die Blockade und den Staatsterrorismus der USA gegen Kuba, die Rückgabe Guantánamos, die Beendigung der subversiven Aktionen gegen Kuba, die Einstellung des Betriebes von Radio-TV Martí, die Abwerbung kubanischer Fachkräfte ...

Veröffentlicht in Rund um Kuba | Tags: Blockade, EU, EU-Kommission, Menschenrechte, Solidarität