21.09.2012 Druckversion

Es geht um Geld

»Hungerstreik« soll offenbar US-Gelder einfordern. Protestierende Regierungsgegner bei überraschend guter Gesundheit.
Keine Chance für Kontras: die Freunde Kubas "verteidigen" die Botschaft Kubas
Keine Chance für die Kontras: die Freunde Kubas stellten sich am Montag der "Mahnwache" der IGfM entgegen.
 
Zu einer »Mahnwache gegen Menschenrechtsverletzungen« will die rechtslastige »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte« (IGfM) am heutigen Montag vor der kubanischen Botschaft in Berlin aufmarschieren. Anlaß für die Ak­tion ist ein Hungerstreik, den eine Gruppe von Systemgegnern, angeführt von Martha Beatriz Roque und Jorge Luis García Pérez, am vergangenen Montag auf der Insel begonnen hat. Die von den Akteuren angegebenen Gründe sind widersprüchlich. Der Verdacht, daß es ihnen zumindest auch um einen Anteil an 4,2 Millionen US-Dollar geht, die das Außenministerium der USA ab dem 30. September für kubanische Regierungsgegner bereitstellen will, ist jedoch plausibel.

Obwohl die 67jährige Martha Beatriz Roque unter Herz- und Zuckerkrankheit leidet, ist es für sie bereits der vierte Hungerstreik seit 2003. Die für ihre Gesundheit und ihr Leben nicht ungefährliche Aktion begründete sie gegenüber der britischen Agentur Reuters unter anderem mit der Forderung nach einer Freilassung des Häftlings Jorge Vázquez Chaviano, dem am Montag die Haftentlassung verweigert worden sei, obwohl er eine einjährige Gefängnisstrafe abgesessen habe. Die deutsche dpa berichtete dagegen, daß Chaviano erst beim Kuba-Besuch von Papst Benedikt XVI. festgenommen worden sei. Im Internetportal YouTube sind zudem Videos zu sehen, die den angeblich seit einem Jahr Einsitzenden im Januar und März bei Protestaktionen zeigen. Am eingeblendeten Symbol ist erkennbar, dass die Aufnahmen von Jorge Luis Garcia Pérez stammen.

Über diesen Herrn verbreitet die IGfM, er sei 1990 wegen Kritik an der Kommunistischen Partei verhaftet worden. Dem US-Journalisten Tracey Eaton gestand der frühere Häftling jedoch, daß er sich erst nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis ab April 2007 aktiv in der »Opposition« engagiert habe. Seitdem versucht er vor allem, durch Provokationen auf sich aufmerksam zu machen. So veröffentlichte er am 12. April in seinem Blog einen »Offenen Brief an den Diktator Raúl Castro«, in dem er den kubanischen Präsidenten als »Tyrann« bezeichnet, »dessen Verbrechen nur mit denen von Nazi-Deutschland vergleichbar sind«. Gegenüber Eaton räumte er zudem ein, daß die »Oppositionellen« von ihrer Rolle als Systemgegner leben. »Die Fahrten nach Havanna zur US-Interessenvertretung, zu Martha und zu Yoani Sánchez« könne er sich ohne ausländische Geldgeber nicht leisten, bekannte Pérez freimütig. Diese verlangen jedoch inzwischen mehr Effektivität. So empfahl der im vergangenen Jahr abgelöste Chef der US-Interessenvertretung in Havanna, Jonathan D. Farrar, bereits 2009, statt der »ineffizienten traditionellen Dissidenten« lieber jüngere Leute und Internetaktivisten zu fördern.

Tracey Eaton, der beste Kontakte zur kubanischen Dissidentenszene hat, veröffentlichte am 6. September in seinem Blog »Along the Malecon«, daß das US-Außenministerium weitere Finanzspritzen für die Regierungsgegner plant. Demnach sollen ab dem 30. September 4,2 Millionen US-Dollar bereitstehen. Diese sind aufgeteilt in Mittel für Aktivisten außerhalb Havannas, für die Anwerbung Jugendlicher sowie für »Künstler, Dichter, Musiker und Schriftsteller«. Gerade einmal vier Tage nach Veröffentlichung dieses Programms begann die Gruppe um Roque und Peréz, die sich in diesem Programm offenbar nicht wiederfinden konnte, mit ihrer Aktion.

Deren Ernsthaftigkeit bezweifelt die Ärztin Odette Garrido Amable, die am vergangenen Donnerstag auf deren Bitten die Protestierenden besucht hatte. Anschließend zeigte sie sich überrascht über deren guten Gesundheitszustand. Speziell Martha Beatriz Roque habe – anders als es in US-Medien verbreitete Fotos nahelegen – gut ausgesehen und problemlos vom Bett aufstehen können. Das sei sehr ungewöhnlich für eine Zuckerkranke, die nach eigenen Angaben bereits seit vier Tagen keine Nahrung mehr zu sich genommen habe, erklärte die Medizinerin gegenüber dem Internetblog »Cambios en Cuba«.
 
Von Volker Hermsdorf

Erschienen in der jungen Welt am Montag, 17. September 2012. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

 

Veröffentlicht in Rund um Kuba | Tags: Dissidenten, Medien, Menschenrechte, Opposition