Landwirtschaft

Die Geschichte der kubanischen Landwirtschaft

Hier findet ihr eine kurze Darstellung der Entwicklung der kubanischen Landwirtschaft ab 1959. Sofern nicht anders gekennzeichnet sind die Informationen aus dem Oxfam America Report: "Cuba going against the grain" von Minor Sinclair und Martha Thompson (Juni 2001) entnommen.

Situation 1959

Nach der Revolution

Die 60- er und 70- er

Die Krise

Die neue Landwirtschaftspolitik

Ergebnisse und Zukunft

 


Situation 1959:

  • Dominanz US-amerikanischer Unternehmen
  • 8% der Bauern kontrollierten 70 % des Landes
  • Kubaweit nur 45.000 Kleinbauern (bis zu 100 ha)
  • Anbau vorrangig von Monokulturen (z.B. Zuckerrohr)
  • Import des Grossteil der benötigten Nahrungsmittel
  • Landbevölkerung:
    • Lebte von Saisonarbeit (3 Monate im Jahr)
    • Ohne Strom und fliessend Wasser, kein Zugang zu Schulen und Gesundheitseinrichtungen

Nach der Revolution

Die erste Agrarreform (Mai 1959):

  • Begrenzung von privaten Landbesitz auf 405 ha/Person
  • Verstaatlichung der grossen Plantagen (44% des Weide- und Ackerlandes staatlich)
  • 160.000 Kleinbauern mit höherem Einkommen
  • Saisonarbeiter wurden ganzjährige eingestellt, erhielten soziale Absicherung, Unfallversicherungen, freien Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und Schulen

Die zweite Agrarreform (1963):

  • Begrenzung von privaten Landbesitz auf 67 ha/Person
  • 63% des urbaren Landes in staatlichen Besitz
  • Die 160.000 Kleinbauern verfügen über 20 % des Landes und sind in der ANAP* zusammengeschlossen
  • Seit 1965 dürfen Ausländer kein Land besitzen

*ANAP: Nationale Vereinigung der Kleinbauern (Asociación Nacional de Agricultores Pequeños), Interessenvertretung der CPA, CCS* und nicht organisierten Kleinbauern, die auch Dienstleistungen wie Weiterbildungskurse anbietet, Handelt oft direkt mit dem Staat über Preise und Kredite, Mitglieder der ANAP produzieren: 2% des Gemüses, 67% des Getreides und 85% des Tabaks 

*CCS: Kredit- und Dienstleistungskooperativen (Cooperativa de Crédito y Servicio), Bearbeitung des Landes durch Familienangehörige oder angeheuerte Arbeitskräfte, Mitglieder besitzen ihr Land, können es an Angehörige vererben oder an den Staat verkaufen, Kooperative führt Verhandlungen mit dem Staat über Inputs, Dienstleistungen und Kredite, Heute: 2556 Kooperativen mit je 10 - 40 Mitgliedern bewirtschaften ca. 12 % des Landes 

*CPA: Sind Landwirtschaftliche Produktionskooperativen (Cooperativa de Producción agraria), Land ist im Besitz der Kooperative und wird kollektiv bearbeitet, die Mitglieder täglich entlohnt, Mitgliedern werden Dienstleitungen (Wohnung, Transport) gestellt und die Gewinne der Kooperative werden jährlich unter den Mitgliedern aufgeteilt, Die Kooperative führt Verhandlungen mit dem Staat, Heute: 1133 Kooperativen mit je 40 - 300 Mitgliedern bewirtschaften ca. 10 % des Landes


Die 60-er und 70-er

Verbesserung der ländlichen Infrastruktur:

  • Strom- und Wasserleitungen bis in Bauernhäuser
  • Verbesserung der hygienische Bedingungen,Malaria und Tuberkulose werden eingedämmt
  • Kostenlose Nutzung von Schulen und Gesundheitseinrichtungen, Möglichkeit eines Studiums auch für Bauernkinder
  • Kulturelle Einrichtungen auch auf dem Lande, Bauern besitzen Kühlschränke und Radios
  • Die Lebensmittelkarte sichert billige Lebensmittel und Milch für Kinder, Schwangere und Alte

 

Landwirtschaft:

  • Hauptaufgabe: Produktion von Exportgütern (z.B. Zuckerrohr)
  • Hoher Einsatz von importierten chemischen Düngern, hoher Mechanisierungsgrad
  • Benötigte Lebensmittel werden importiert
    • Abhängigkeit von importierten Inputs
    • Anfälligkeit gegen Veränderungen des Weltmarktes und der Handelsstruktur


Nur möglich durch generöse Tauschkurse der UdSSR


Die Krise

1990 Zusammenbruch des Ostblocks:

Wegfall von 80 % des Exportmarktes und 80 % der Importe von heute auf morgen 

  • Wegfall der chemischen Düngemittel, des Kraftfutters, der Veterinärmedikamente und der Ersatzteile für Maschinen und Bewässerungssysteme
  • Beispiel: nur noch 22 % des Milchpulvers konnten importiert werden
  • Absinken der Pro- Kopf- Kalorienaufnahme:
  • Programme:
    • Lebensmittelsicherung für Kinder, Schwangere und Alte
    • Lebensmittelverteilung über Libreta (reicht 10- 14 Tage)
    • Die Lebensmittelbeschaffung wird zur Hauptbeschäftigung und verbraucht bis zu 66 % des Lohnes.

Verschärfung der Krise durch die Blockade : 

  • Beispiel: Cuban Democracy Act 1992: Schiffen, die in Kuba angelegt haben, ist es für 180 Tage untersagt US-amerikanische Häfen anzulaufen, Verschiffungskosten stiegen um 43
  • Helms-Burton-Gesetz 1996

Die neue Landwirtschaftspolitik

Die dritte Agrarreform (1990-er):

  • Umorientierung der Landwirtschaft hin zur Selbstversorgung aus eigenen Mitteln
  • 1993: Aufgliederung von vielen grossen staatlichen Betrieben in UBPC*
  • 1. Oktober 1994: Eröffnung von 121 Bauernmärkten*
  • Etablierung von Organopónicos* (städtische Gärten
  • Kuba, das weltweit grösste „organische Experiment“:
  • Umfassendes Boden- und Wassermanagement
  • Verzicht auf Chemikalien
  • Biologische Plagenkontrolle
  • Verwendung von Gründüngung
  • Etablierung von Biodiversität

"Weiden ersetzen das Kraftfutter, Ochsen ersetzen die Traktoren"

*UBPC: Sind Basiseinheiten der Kooperativen Produktion (Unidades Básicas de Producción cooperativa), Land bleibt Staatsbesitz, wird aber unbefristet und kostenlos an die Kooperative verpachtet, Kooperativen schliessen Verträge über Produktionsquoten und Inputs mit dem Staat, Mitglieder besitzen und leiten den Betrieb, wählen ihr Management, verdienen individuellen Lohn je nach ihrer Beteiligung an der Arbeit , Vorteile: Dezentralisierte Strukturen, Kleinere, besser zu managende Betriebe mit grösserer Eigenverantwortung für Produzenten, Zentrale Planung und Verwaltung der Lebensmittelproduktion auch hinsichtlich des Boden- und Wassermanagements, der Plagenkontrolle und der Biodiversität bleibt erhalten, Heute:122.000 Menschen in Kuba arbeiten in UBPC, produzieren in der Regel neben ihrem Hauptprodukt auch Lebensmittel zum Verkauf, UBPC haben den grössten Anteil in der kubanischen Landwirtschaft 

*Bauernmärkte: Bauern verkaufen ihre Überproduktion direkt an den Konsumenten und erhöhen damit deutlich ihre Einkommen, Konsumenten zahlen durch den Staat regulierte Preise, die niedriger sind als auf dem Schwarzmarktàder Schwarzmarkt verschwindet, Ausserdem Möglichkeit des Verkaufs von Produkten über staatliche Agenturen an den Tourismussektor

*Organopónicos: Städtische Gärten mit Hochbeeten, die mit organischem Material gefüllt sind, Erträge: 6-30 kg Gemüse pro m², produzieren 60 % des frisch konsumierten Obst und Gemüses in ganz Kuba, Verkauf auf Märkten und an kleinen Verkaufsstellen direkt am Garten, Größte städtische Agrikulturbewegung Amerikas, Situation Ende 2002: 30.000 Organopóncios mit 326.000 Angestellten, die städtische Landwirtschaft allein produziert 3 Millionen Tonnen Gemüse und Gewürzpflanzen (Vgl.: 1994: 4.200 t)


Ergebnisse und Zukunft

  • Verdopplung der Gemüseproduktion von 1994 im Vergleich zu 1999
  • Bereitstellung tierischer Proteine verblieb zunächst auf dem Niveau von 1994
    (2002 wurde mit 76,8 g/Kopf/d zum ersten Mal das Niveau von 1989 wieder erreicht. Granma, 23.12.02)
  • Steigerung der Milchproduktion von 1994 zu 1999 um nur 3 %
    Grund: Die Umstellung auf Weidewirtschaft ohne Kraftfutterzugabe ist ein Langzeitprozess.
  • Zunahme der Pro-Kopf-Kalorienaufnahme und der Proteinversorgung:

Jahr


1994

2000

2004

Kalorien
[kcal/Kopf/d]

1984

2578

3305

Proteine
[g/Kopf/d]

47,7

68,3

85,5

Quelle:


Granma, 11.04.01

Granma, 11.04.01

Granma, 27.12.04

  • Abhängig davon inwiefern staatliche Souveränität bei ökonomischen Entscheidungen erhalten bleibt
  • Abhängig von der Entwicklung des Weltmarktes
  • Arbeitskräftemangel und limitierte Landreserven könnten zur Rückkehr zu alten Produktionsmethoden führen