Aktuelle Lage in Kuba: Tageszeitung "Die Welt" verbreitet Desinformationen
Es ist richtig: Die Wirtschaft in Kuba liegt am Boden, das Gesundheitssystem hat derzeit größte Probleme. Richtig ist auch, dass ein Teil der Ursachen an System- und Lenkungsfehlern liegt. Richtig ist auch, dass die Pandemie in Kuba die Krise noch erheblich verschärft hat.
Nicht ausreichend gewürdigt wurde die perfide Blockadepolitik der USA, die sich verhalten wie die Belagerer einer Burg im Mittelalter, die die Bewohner durch Aushungern zur Kapitulation zwingen wollen. Und man spricht von US-Seite explizit von Erdrosseln und Ersticken und nimmt unnötiges Leiden und Tod der Bevölkerung gnadenlos in Kauf. Die US-Blockade ist eine umfassende Wirtschafts-, Finanz- und Handelsblockade, die sich sogar auf Drittstaaten, also extraterritorial, auswirkt. Somit ist sie als völkerrechtswidriger kriegerischer Akt einzuordnen und wird seit vielen Jahren von der Vollversammlung der Vereinten Nationen von der überwältigenden Mehrheit der Mitglieder, auch von Deutschland und der EU, verurteilt.
Selbst in Coronazeiten – und das ist der eigentliche Skandal, der hierzulande viel zu wenig thematisiert wird – wird die Einfuhr notwendiger und lebenswichtiger Medikamente und deren Rohstoffe, die Einfuhr von Reagenzien, medizinischen Geräten und Ersatzteilen sowie die Lieferungen von Lebensmitteln, Treibstoff, Schutzkleidung, Masken, Beatmungsgeräten, Material für die Impfungen und die Forschung durch die USA mit allen Mitteln blockiert.
Die USA erreichen dies, indem sie die internationalen Lieferfirmen unter Druck setzen und ihnen wegen Zuwiderhandlung gegen die Blockade Strafen oft in Millionenhöhe aufzwingen. Die USA kontrollieren die Finanzströme und bestrafen ebenso die Banken, die den Zahlungsverkehr mit Kuba abwickeln. Die französische Bank BNP Paribas zahlte 2014 fast 9 Milliarden Dollar Strafe an die Finanzbehörden der USA. Und sie zahlen alle, auch deutsche Firmen und Banken, um ihr US-Geschäft nicht zu verlieren und die Beschlagnahme ihrer Vermögenswerte in den USA zu vermeiden.
Es werden in Europa ja schon Überweisungen von den meisten Banken blockiert, die das Wort Kuba in irgendeiner Form verwenden. Die seit 60 Jahre dauernde Blockade der USA gegen Kuba ist die längste und härteste in der Geschichte der Menschheit und hat bisher – konservativ geschätzt – Schäden in Höhe von über 138 Milliarden US-Dollar bewirkt. Andere Schätzungen sprechen sogar von 1 Billion Dollar. Allein vom April 2018 bis zum März 2019, waren es über 4,3 Milliarden US-Dollar, ein Jahr später schon 5,57 Milliarden Dollar. Im Gesundheitswesen waren es zuletzt mehr als 104 Millionen Dollar/Jahr. Und das sind für ein Land wie Kuba schon beträchtliche Summen.
US-Millionenbeträge für Regime Change, Desinformation & Lügen
Wenn Die Welt von einem harten staatlichen Eingreifen bei den sogenannten "Sozialprotesten" vom 11. Juli 2021 spricht, von dem "Verschwinden von Demonstrierenden", von verhafteten "unabhängigen" Journalisten und Bloggern, von denen die meisten aus US-Quellen bezahlt werden, kann man dies nur als Desinformation bezeichnen. Man sollte wissen, dass die USA jährlich hohe Millionenbeträge für einen Regime Change ausgibt, gerade mit den Mitteln der Desinformation und der Lügen.
In dem besagten Zeitraum wurde Kuba überschwemmt mit automatisierten Aussendungen von Hunderttausenden von Tweets, mit dem intensiven Einsatz von Robotern, Algorithmen und Konten, die nur für diesen Anlass geschaffen wurden. Zu Anfang verbreiteten sie Meldungen wie die, dass in Camagüey die Protestler die Regierung übernommen und die Ordnungskräfte sich ihnen angeschlossen hätten. Das Ganze auch noch einmal mit Santiago de Cuba. Dann meldeten sie, der stellvertretende Innenminister sei wegen der von der Polizei angewandten Repression zurückgetreten. Dann wurde berichtet, Raúl Castro sei nach Venezuela bzw. Südafrika geflüchtet – das Ganze immer von Fotos begleitet. Außerdem sollten auf den Straßen Tote einfach liegen gelassen, Verstorbene im Urwald verscharrt worden sein, etc. etc. Kein Wunder, dass bei diesen Fake News und dieser Art der medialen Kriegsführung Kuba das Internet kurzfristig sperrte. Auch hier wird in der Berichterstattung Ursache mit Wirkung wieder einmal verwechselt.
"Es gab nicht einen einzigen Verschwundenen!"
Und es gab nicht einen einzigen Verschwundenen! Aber es gab einen vandalisierenden Mob, der zeitgleich (! – Zufall?) in verschiedenen Städten gleichzeitig für Gewalt und Plünderungen sorgte. Umgestoßene Autos, geplünderte Läden, zerschlagene Schaufenster, attackierte öffentliche Gebäude, Menschen, die mit blutigen Köpfen herumliefen, weil sie von Steinen getroffen wurden, Mütter, die auf der Kinderstation mit ihren Kindern vor Steine werfenden Horden Zuflucht in Baderäumen und unter den Betten suchten.
20 Millionen Impfdosen produziert
Kuba hat als einziges Entwicklungsland sehr früh schon Impfstoffe gegen COVID-19 entwickelt, 5 an der Zahl. Abdala und Soberana 02 haben eine Wirksamkeit von über 90 Prozent und von ca. 80 Prozent gegen die Deltavariante. Und wenn von Anfang der Zugang zu Spezialfiltern und anderen Materialien für die Herstellung des Impfserums und genügend Spritzen und Kanülen für die Impfungen vorhanden gewesen wären, dann wäre auch die Impfgeschwindigkeit eine andere gewesen. Allerdings meldete BioCubaPharma die Produktion von 20 Millionen Impfdosen des Impfstoffes Abdala, eine beachtliche Leistung in diesen schwierigen Zeiten.
In Kuba haben fast 50 Prozent der Bevölkerung zumindest eine COVID-19-Impfung erhalten. Welches Entwicklungsland kann eine ähnliche Impfrate wie Kuba aufweisen? Und welches Entwicklungsland kann sich die teuren Impfungen leisten, wenn sie diese wegen des knappen Impfstoffes überhaupt bekämen. Und die internationale Hilfe bei den Impfungen scheitert ja immer wieder an dem Widerstand und dem Gewinnstreben der Firmen, die die Impfseren herstellen, und an der Protektion der westlichen Regierungen. Diese Impfungleichheit ist doch bekannt und einfach ein Skandal.
"Dass Kuba sich als massiv blockiertes Land nicht der Gnade und der Bevormundung der Herren der Welt aussetzen will und kann, ist doch nur zu verständlich."
Aber es zeigt auch das Potential, das Kuba als sozialistisches Land hat. Und welche Einnahmen hätte das Land, wenn es seine Impfkandidaten vermarkten könnte. Man kann davon ausgehen, dass Kuba seinen tropentauglichen Impfstoff vielen armen Ländern umsonst oder zu einem bezahlbaren Preis zur Verfügung stellen und so zu etwas mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung des Impfstoffes beitragen würde. Und dies umso mehr, wenn man es unterstützen und nicht blockieren würde.
Medizinische internationale Einsätze
Kubas medizinische internationale Einsätze erfolgen meist unentgeltlich, andere in Dreieckskooperation mit der WHO. Seit 2000 gibt es auch Einsätze gegen Bezahlung (Venezuela, Brasilien, Südafrika, …). Etwa ein Drittel des Honorars bekommen die Ärzte, auch ihr Gehalt in Kuba wird weiter bezahlt, ca. zwei Drittel des Auslandshonorars gehen an den kubanischen Staat, der mit diesen Einnahmen andere Auslandseinsätze, sein kostenloses Gesundheitssystem und das kostenlose Studium seiner jungen Menschen finanziert.
Ich habe selbst Rundreisen mit Ärzten in Deutschland durchgeführt, die in Haiti nach dem Erdbeben 2010, in Westafrika 2014/15 gegen Ebola und in Brasilien 2016–2018 im Einsatz waren. Alle haben sich freiwillig zu diesen Einsätzen gemeldet. Selbst für den gefährlichen Einsatz gegen Ebola gab es fünf Mal mehr Meldungen als nötig. Für die meisten Ärzt*innen sind die Bedingungen ihres Einsatzes transparent und völlig in Ordnung. Ich habe viele Internationalisten getroffen, für die der Auslandseinsatz eine Berufung war, Menschen in Not zu helfen, Leben zu retten. Und auch jetzt nach dem neuen Erdbeben in Haiti sind derzeit 253 medizinische Fachkräfte dort im Einsatz.
Hatte Kuba lange Zeit sehr niedrige Erkrankungsraten an COVID-19, so sind sie seit Juni 2021 geradezu explodiert. Das ist richtig. Aber pro 1 Million Einwohner hatte Kuba bisher 45.735 Coronafälle bei deutlich mehr Testungen als Brasilien mit 95.047 Fällen. Die Gesamtzahl der an oder mit COVID-19 Gestorbenen liegt derzeit in Kuba bei 355, in Brasilien bei 2.657 Fällen, alles pro 1 Million Einwohner. Und Dank der kubanischen Medikamente, der deutlich verantwortungsvolleren und besseren Pandemiepolitik in Kuba ist der Prozentsatz der an oder mit COVID-19 Gestorbenen niedriger als bei uns, trotz der bekannten aktuellen Versorgungsmängel. An dem aktuellen hohen Zahlen mögen die weit verbreitete Delta-Variante des Virus, eine gewisse Coronamüdigkeit, die schlechte Versorgungslage, die langen Schlangen vor den Geschäften und zuletzt auch nicht ausreichend vorhandene Schutzkleidung eine Erklärung sein. Umso wichtiger ist jetzt die Forcierung der Impfungen und nicht das vermutlich frustrane Warten auf internationale Hilfe. Das Beste, was Kuba in dieser Situation helfen würde, wäre die Beendigung der Blockade, normale Handels-, Finanz und Wirtschaftsbeziehungen, Joint Ventures vor allem im medizinischen Bereich und Vermarktungsmöglichkeiten.
"Kuba hat etliche sehr gute Medikamente in der Pipeline, zur Krebstherapie, zur Therapie des diabetischen Fußes und auch zur Behandlung von COVID-19 wie das Peptid CIGB-258 und das Itolizumab."
Gesundheitswesen in Kuba
In Kuba gibt es 8 Ärzt*innen/1000 Einwohner, in den USA 3/1000 Einwohner, in Deutschland sind es 4/1000 Einwohner. Alles Zahlen aus dem Jahr 2018. Da führen einige 1000 im Ausland arbeitende Mediziner, Krankenschwester und Krankenpfleger nicht zu einem Versorgungsmangel in Kuba. Die prozentuale Anzahl an Krankenhausbetten ist heute höher als in den USA, nämlich 5/1000 zu 3/1000 Einwohner. Die Lebenserwartung (78 Jahre) sowie die Kinder- und Müttersterblichkeit entsprechen denen der entwickelten Länder. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) u.a. Experten sagen: Dieses kubanische Gesundheitswesen ist (ebenso wie der Katastrophenschutz) vorbildlich. Es beeinflusst(e) die Entwicklung von Maßstäben und Leitlinien der WHO, dem höchsten internationalen Gesundheitsgremium.
Auch wenn die Tageszeitung Die Welt den Umgang mit an oder mit COVID-19 Gestorbenen kritisieren, so gibt es in Kuba keine Massengräber wie in New York, Brasilien, Ekuador und anderswo, auch wenn es manchmal an der Stoffauskleidung der Särge mangeln mag und diese vielfach nur einfach weiß sind und nicht die manchmal perversen Luxusausstattungen haben wie bei uns. Aber die Kubaner*innen haben derzeit andere Sorgen.
Dr. Klaus Piel, Facharzt für Innere Medizin, hat vor rund 25 Jahren in Bochum die Humanitäre Cuba Hilfe (HCH) gegründet, deren Ziel die medizinische Unterstützung des kubanischen Gesundheitssystems ist. Bis heute hat die HCH über 100 Container mit medizinischem Equipment nach Kuba geschickt und verschiedene soziokulturelle Projekte in Kuba und in Deutschland durchgeführt.
Quelle: Stadtspiegel Bochum, 22. August 2021