19.08.2014 Druckversion

Brief des Netzwerk Cuba e.V. an den US-Botschafter in der BRD

Als Dachorganisation aller Kuba-Solidaritätsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland nimmt das Netzwerk Cuba e.V. in einem Brief an John B. Emerson, Botschafter der USA in Deutschland, Stellung zu den Aktionen der USAID gegen Kuba. Berlin, 15. August 2014
Figur Oscar Niemeyers auf dem Gelände der Informatik-Universität in Havanna
Kuba behauptet sich gegen den übermächtigen Nachbarn aus dem Norden. Figur des brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer (1907 – 2012), die seit 2008 auf dem Gelände der Informatik-Universität in Havanna zu sehen ist.

„If one compares outcomes to stated objectives, U.S. policy toward Cuba may be the most significant failure in the history of American foreign policy.“ (Vicki Huddleston and Carlos Pascual in „Learning to Salsa: New Steps in U.S.-Cuba Relations“, Brookings 2010)

S.E. John B. Emerson,

vor einem Jahr erfolgte Ihre Akkreditierung, und wir möchten dies zum Anlass eines Briefes nehmen. Nach umfangreichen Recherchen der US-amerikanischen Nachrichtenagentur AP ist erneut eine Geheimoperation der USA gegen Kuba aufgedeckt worden. Die Aktion war ausgerichtet auf junge Menschen in dem sozialistischen Inselstaat. Nach dem Bericht hat die Regierung von US-Präsident Obama mit Hilfe der staatlichen Hilfsorganisation USAID junge Menschen in Venezuela, Costa Rica und Peru rekrutiert und mit Soldzahlungen nach Kuba geschickt, damit sie dort Kontakte zu möglichst vielen Jugendlichen aufnehmen, um sie schrittweise zu regimefeindlichen Aktivitäten anzustiften. Sie seien über die Insel gereist, um Leute auszukundschaften, die sie zu politischen Aktivitäten benutzen könnten. In einem Fall hätten sie zur Tarnung einen Arbeitskreis zur HIV-Prävention gegründet, den interne USAID-Memos als besonders „perfekte Ausrede“ bzw. Tarnung bezeichneten.

Erst vor wenigen Monaten war das Aufwiegelungsprojekt „Kubanisches Twitter“ aufgedeckt worden, mit dem die Jugend in Kuba in sozialen Netzwerken agitiert werden sollte. Diese Kuba-Projekte der USAID laufen den Normen von Entwicklungshilfe zuwider, denn sie werden nicht mit der lokalen Regierung abgestimmt, von unauffälligen Subunternehmen durchgeführt und zudem immer erst durch Medienrecherchen öffentlich. Darüber hinaus werden die kubanischen Jugendlichen nicht über den eigentlichen Zweck der Kontakte und die Hintermänner in Kenntnis gesetzt.

Ein anderer Subversionsfall ist der des USAID-Auftragnehmers Alan Gross. Er war mehrere Male im Rahmen verdeckter US-Mission nach Kuba gereist, um dort geheime Internetkapazitäten für Regimegegner aufzubauen, die in der Regel nur von Geheimdiensten verwendet werden. Auch dabei bestand das Ziel in einem Regimewechsel in Kuba.

Die US-Aufsichtsgremien haben in den vergangenen Jahren wiederholt moniert, dass USAID geheime Programme durchführt und keine Details mitteilt. Senator Jeff Flake, ein Republikaner aus Arizona und Kubaexperte sagte: „Diese Programme benötigen ganz dringend eine detaillierte Aufsicht. Wenn sie AIDS-Workshops als Fassade für etwas völlig anderes benutzen, dann ist das einfach falsch.“

Die Kalte-Kriegs-Politik der USA gegen Kuba geht leider weiter: US-Behörden (OFAC im Finanzministerium) verhängen immer häufiger und immer höhere Geldstrafen gegen europäische Banken und Unternehmen wegen Geschäftskontakten mit dem sozialistischen Kuba. So zahlte die Royal Bank of Scotland 100 Mio. US-Dollar, die Schweizer Weatherford International Ltd. (Ausrüstungsgüter für die Erdöl- und Erdgasgewinnung) 252 Mio. US-Dollar an die USA wegen vermeintlicher Verstöße gegen die Blockadegesetze. Die Höchstsumme zahlte kürzlich PNB Paribas: knapp 10 Mrd. US-Dollar.

Ein weiterer Skandal ist der Fall der „Cuban Five“. Nachdem in den 1990er Jahren die Terroranschläge aus den USA gegen Kuba eskalierten (z.B. Bombenattentate auf Hotels in Havanna, Beschuss von Stränden in Kuba, Flugblätterabwurf über Havanna!), ohne dass US-Behörden dies verhinderten, sammelten fünf Kubaner in den entsprechenden exilkubanischen Banden und Terrorgruppen in Florida Dokumente und Informationen, um weitere Anschläge zu verhindern. Das Material wurde dem FBI übergeben! Doch statt die Terrorgruppen zu belangen, wurden die fünf Kubaner gefangen genommen und in unfairen Prozessen zu extremen, ungerechten Strafen verurteilt - und sind seit 1998 in US-Gefängnissen eingesperrt (2 davon haben ihre Strafe vollständig abgesessen).

Durch die oben skizzierten aktuellen Subversionsaktivitäten und Provokationen gegen das souveräne Kuba produziert die US-Administration erneut eine prekäre Situation - gerade so, als wolle sie Gegenmaßnahmen der kubanischen Behörden provozieren. Dies war der Fall im Vorfeld des umstrittenen „Helms-Burton-Act“ von 1996. Doch nachdem Kleinflugzeuge aus Florida mehrere Male den kubanischen Luftraum verletzt und zahlreiche Warnungen Kubas ignoriert hatten, wurden zur Gefahrenabwehr zwei davon abgeschossen. Dies wiederum wurde - wie zu erwarten - von kubafeindlichen Gruppen in den USA und im Kongress genutzt, das Gesetz durchzusetzen.

Ähnlich provokant agierte der Chef der US-Interessenvertretung James Cason 2002/2003, indem er versuchte, „Dissidenten“ in Kuba auszubilden und zu einer starken Opposition zu vereinigen. Nachdem sich kubanische Behörden dagegen wehrten, wurde dies wiederum zum Anlass für Maßnahmen gegen Kuba benutzt. In all diesen Zwischenfällen wurden auch von der EU die Beziehungen zu Kuba verschlechtert - ein zufälliger Zusammenhang?

In diesem Jahr nun wurde unsere Solidaritätsorganisation - mit über 40 Mitgliedsgruppen - unmittelbar von den kubafeindlichen Maßnahmen der US-Regierung betroffen und geschädigt. Im Zuge unserer Solidaritätsarbeit für Kuba haben wir im Januar 2014 einen Spendenbetrag an ein Konto der britischen CSC (Cuba Solidarity Campaign) nach London überwiesen, also innerhalb Europas. Kurze Zeit später wurde von Seiten der Postbank mitgeteilt, dass die Überweisung nicht vorgenommen werden könne, weil der Geldtransfer von einer US-Bank durchgeführt werde und diese vermutlich das Geld einbehalten hätte. Hintergrund: Die US-Administration hat mit dem völker- und handelsrechtswidrigen Teil des sogenannten „Helms-Burton-Act“ von 1996 „extraterritoriale Effekte“ erzeugt, wonach allen US-Unternehmen (auch im Ausland) untersagt ist, Geschäftsbeziehungen mit Kuba zu unterhalten. Das US-Finanzministerium hat in jüngster Zeit seine Anstrengungen intensiviert, Finanztransaktionen mit Kuba oder für Kuba zu unterbinden und sehr hohe Strafzahlungen gegenüber einzelnen Unternehmen durchgesetzt.

All dies wird von der US-Regierung durchgeführt, obwohl die Weltgemeinschaft fast einhellig eine Beendigung der US-Blockade gegen Kuba fordert.

Wir und andere Länder sind keine „Bananenrepublik“ der USA, und die USA stehen nicht über den Gesetzen! Wie würde denn Ihre Regierung reagieren, wenn sie permanent von einer militärischen Supermacht unterwandert und ein Regime Change versucht würde, wenn Finanztransfers weltweit erschwert oder unterbunden würden, wenn Ihrem Land gegenüber Völker- und Menschen- und Handelsrechte verletzt würden?

Wir bitten Sie, dazu beizutragen, die von Ihrer Regierung gegen Kuba praktizierte „Arrogance of Power“ (Senator James Fulbright) zu beenden und endlich bedingungslos faire Beziehungen aufzubauen.

Wir fordern von Ihrer Regierung:

- die umgehende Freilassung der verbliebenen 3 Helden der Cuban Five aus US-Gefängnissen und deren Rückkehr nach Kuba,

- die sofortige Beendigung der zahlreichen subversiven und ökonomischen Aktivitäten und Umsturzversuche der US-Organisationen gegen Kuba und die Herausnahme Kubas aus der sogenannten „Liste der Terrorstaaten“,

- die Beendigung der seit 1962 bestehenden und 1996 verschärften Blockade gegen Kuba,

- die Rückgabe der Hafenregion Guantánamo, die Ihre Administration als weltweit kritisiertes Gefangen- und Folterlager nutzt(e),

- die Wiedergutmachung der gegen Kuba angerichteten Schäden.

Wir bitten Sie hinsichtlich dieser Handlungsbereiche um Ihre werte Stellungnahme und um Weiterleitung an die zuständigen Stellen in Ihrer Administration. Vielen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand

Netzwerk Cuba – informationsbüro e.V. Weydingerstr. 14-16, 10178 Berlin Telefon: 0049(0)30 - 24 009 338 E-Mail: info@netzwerk-cuba.de internet: www.netzwerk-cuba.de

Veröffentlicht in Aktuelles | Tags: Blockade, Dissidenten, Menschenrechte, Netzwerk Cuba, Putsch, Solidarität, Terrorismus