Deutsche Stiftungen kritisch betrachtet
Cuba Sí informierte über die verdeckten Interventionen parteinaher Institutionen in Lateinamerika
Vor gut zwei Jahrhunderten errichteten die Spanier die Festung La Cabaña, um den Hafen von Havanna gegen Angriffe von See zu schützen. Nach der siegreichen Revolution 1959 richtete Ernesto Che Guevara dort seinen ersten Befehlsstand ein. Die alte Kommandantur beherbergt heute ein Museum zu seinen Ehren und den Vortragssaal "José Antonio Portuondo".
Diesen symbolträchtigen Platz wählte Cuba Sí, um am Freitag, dem ersten offiziellen Besuchstag der 20. Buchmesse, über die verdeckten Interventionen deutscher Stiftungen in Lateinamerika zu informieren.
Putschunterstützung in Honduras, Aufruf zur Militärintervention in Venezuela und Boykott gegen Nicaragua sind nur einige Episoden, mit denen deutsche Stiftungen in den vergangenen Jahren – vor allem bei Solidaritätsgruppen – für Aufsehen gesorgt haben. Darüber hinaus ging das Thema jedoch meistens unter, sei es wegen des Desinteresses der deutschen Mainstream-Medien oder weil man in Lateinamerika eher die "üblichen Verdächtigen" von CIA über die US-Entwicklungshilfeagentur USAID und andere im Blick hat.
Cuba Sí hatte deswegen den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke als außenpolitischen Sprecher der Partei Die Linke, den kubanischen Politologen Francisco Brown Infante und den Redakteur des geheimdienstkritischen Magazins Geheim, Ingo Niebel, eingeladen. Die Moderation übernahm der Deutschland-Korrespondent der kubanischen Agentur Prensa Latina, Harald Neuber.
Die Teilnehmer stellten dem Publikum das Thema aus unterschiedlicher Perspektive vor und konzentrierten sich dabei auf die Stiftungen der Berliner Regierungsparteien. Mit Blick auf die Staaten der Bolivarischen Allianz für Amerikas (ALBA), die zu den Ehrengästen der diesjährigen Buchmesse gehören, eröffnete Neuber die Podiumsrunde mit der Feststellung: "ein zentrales Problem ist in diesem Kontext, dass die Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder des Südens immer offener stattfindet".
Dies bekräftigten Niebel und Brown mit entsprechenden Beispielen. "Wir müssen Transparenz über die Stiftungsarbeit in Lateinamerika schaffen", sagte Gehrcke und forderte die Linke(n) auf, eine größere und bessere Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Als Beleg dafür, dass die Linke anders handeln werde als die übrigen Stiftungen, kündigte er an, die Freilassung der fünf in den USA inhaftierten Kubaner im Bundestag zu thematisieren. Seine drei Mitdiskutanten waren sich darin einig, dass Nicaragua und Venezuela die nächsten Ziele der interventionistischen Stiftungsarbeit sein würden, weil dort 2011 und 2012 Präsidentschaftswahlen stattfinden werden. Entsprechende Hinweise darauf gebe es schon jetzt in Brüssel, ergänzte Neuber.
Der Dialog mit dem Publikum zeigte, dass der erste Schritt hin zu einer interkontinentalen Informationsarbeit getan ist. Nun muss diese Arbeit ausgebaut werden.
Obwohl – oder weil – Gehrcke auch Vorsitzender der Mittelamerika-Parlamentariergruppe des Bundestags ist, waren Vertreter der Deutschen Botschaft bei der Veranstaltung nicht zugegen oder gaben sich als solche nicht zu erkennen. Zuletzt hatte der deutsche Diplomat Volker Pellet für Unmut gesorgt, als er jenseits diplomatischer Gepflogenheiten mehrfach öffentlich Position für "Dissidenten" in Kuba bezog. Wie aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, hat das Auswärtige Amt Pellet inzwischen aus Havanna abgezogen. Damit ist das Thema der deutschen Einmischung in innere Angelegenheit der ALBA-Staaten aber keineswegs beendet. Vielmehr hat es durch jüngste Ereignisse in Venezuela neue Brisanz erhalten.
Angesichts des dort zur Abstimmung stehenden Nationalen Souveranitätsgesetzes hat die US-Entwicklungsagentur USAID entschieden, sich aus dem südamerikanischen Land zurückzuziehen. Sie war dort seit 2002 mit einem "Büro für Transitionsinitiativen" (OTI) tätig. Dieses sollte, laut eigenen Angaben, mit Hilfe der venezolanischen Oppositionsparteien dazu beitragen, das Land zu "demokratisieren", obwohl kurz zuvor Präsident Chávez in freien Wahlen im Amt bestätigt worden war.
Wenige Monate nach Eröffnung des USAID-Büros putschten die Oppositionsparteien gegen das Staatsoberhaupt. Der Staatsstreich scheiterte an der Unterstützung aus dem Volk und der loyalen Haltung weiter Teile des Militärs. In der Folge rückte die politische Arbeit der USAID und anderer internationaler Institutionen immer mehr ins Zentrum des venezolanischen Medieninteresses. So gelang es der US-venezolanischen Journalistin Eva Golinger mehrfach anhand offizieller US-Dokumente zu belegen, wie die USAID venezolanische Parteien und Organisationen entgegen bestehender Gesetze finanzierte. Die Verabschiedung des Souveranitätsgesetzes zum Schutz vor ausländischer Einmischung in die Innenpolitik war die logische Konsequenz des fortgesetzten Rechtsbruches.
Aus lateinamerikanischer Sicht bedeutet der Rückzug der USAID eine Stärkung der nationalen Souveränität Venezuelas, der die ausländische Einmischung auf ein erträgliches Mindestmaß beschränken wird. Dass man aber in der EU diesen Schritt als eine Bedrohung der politischen Arbeit in dem Karibikstaat sehen würde, geht aus dem vertraulichen Report der spanischen FRIDE-Stiftung hervor, den Golinger unlängst bekannt machte. Darin lobte man einerseits die Rolle der deutschen Stiftungen bei ihrer Arbeit gegen die Regierung Chávez, andererseits riet man den europäischen Entscheidungsträgern, sie mögen unter anderem das EU-Parlament dazu bringen, dass es das Souveranitätsgesetz verurteilt. (Text: Ingo Niebel, Foto: Prensa Latina)
Mehrere kubanische Medien, unter ihnen Radio Habana Cuba, Radio Progreso und das staatliche Fernsehen, berichteten am Freitag und Samstag über die Podiumsdebatte. Eine Meldung der Nachrichtenagentur Prensa Latina finden Sie hier.