31.01.2021 Druckversion

7 Monate in Kuba - Interview mit 2 Studenten

Wir waren vom 6. September 2018 bis 28. März 2019 im Rahmen des Proyecto Tamara Bunke in Kuba. Diese ist bei der SDAJ und der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba angeschlossen. Studiert haben wir an der Universidad Tecnológica de La Habana José Antonio Echeverría – kurz der CUJAE. Im Edificio 700 – der Casa Tamara Bunke – auf dem Wohnheimgelände haben wir dann auch gewohnt.
Gruppenfoto mit René Gonzáles
Gruppenfoto mit René Gonzáles
 
Wann und wie lange seid ihr in Kuba gewesen?
Fio: Wir waren vom 6. September 2018 bis 28. März 2019 im Rahmen des Proyecto Tamara Bunke in Kuba.
Meas: Ich bin vorher auch schon 2004 zu einer Rundreise, im September/Oktober 2011 mit dem Milchprojekt von Cuba Sí in Mayabeque und im März 2017 mit einem Genossen der Interbrigadas in Havanna und im Soziokulturellen Proyecto Ventana al Valle in Viñales gewesen.
 
Wer hat euch dabei unterstützt?
M: Das Proyecto Tamara Bunke ist bei der SDAJ und der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba angeschlossen. Die Brigaden sind jedoch weitestgehend selbstorganisiert und auch die Arbeit zurück in Deutschland wird für gewöhnlich durch Ehemalige übernommen.
F: In Kuba ist Julian, der auch Professor an der Universidad Tecnológica de La Habana José Antonio Echeverría – kurz der CUJAE – ist, treibender Motor des Proyectos. Er half uns bei allen Formalitäten vor Ort, organisierte Ausflüge, unsere Teilnahme an Veranstaltungen usw.. Außerdem war er Hauptansprechpartner für uns, wenn es Fragen jeder Art gab. Ob wir nun medizinische Behandlung brauchten oder uns bloß der kubanische Umgang mit Dingen fremd war, Julian konnte uns helfen, vermitteln und beistehen.
 
Was habt ihr in Kuba gemacht?
F: In unserem ersten Monat, waren wir zunächst auf der Isla de la Juventud südlich der kubanischen Hauptinsel. Hier haben wir an der örtlichen Uni zunächst einen Spanischkurs belegt.
M: Danch ging es nach Havanna, wo wir ca. fünf Monate lang Marxistische Philosophie, Politische Ökonomie des Kapitalismus und Geschichte Kubas studiert haben. Außerdem gab es ein Fach namens Soziale Probleme in Wissenschaft und Technik, in dessen Rahmen wir Exkursionen z.B. in ein Stahlwerk oder in den Botanischen Garten von Havanna unternommen haben.
F: Auch ein paar Reisen gehörten im Rahmen des Proyectos mit zum Programm. So fuhr die Gruppe nach Santa Clara und nach Sancti Spiritus. Es gab auch die Möglichkeit, an Exkursionen der Universität teilzunehmen. Einige Gruppenmitglieder sind in diesem Rahmen etwa eine Woche lang durch die Sierra Maestra gewandert. Das wäre mir, wie ich nach einer weit kürzeren Wanderung mit der Exkursionsgruppe in Las Terazzas merkte, aber zu anstrengend gewesen. Außerdem haben wir Artikel für die Homepage des Proyectos berichteaushavanna.de geschrieben, den Prozess zur neuen Verfassung beobachtet und die Arbeit des Proyectos fortgeführt.
M: Natürlich hatten wir auch Freizeit, die wir nutzen konnten, um zu reisen. Abends waren wir häufiger im Maxim Rock in Havanna zu Metal Konzerten. Da haben wir uns unter anderem mit Juan Carlos von der Band Combat Noise angefreundet und mit Andi, den wir ebenfalls dort kennenlernten, habe ich vier meiner Tintenwolf-Gedichte vertont. Auch bei Kiko von der Band Tendencia in Pinar del Rio waren wir häufiger zu Gast und haben dort vom 21. bis 24. März auch ein Metal- & Rock-Festival miterlebt. Und natürlich besuchten wir mehrmals unsere Freund*innen vom Proyecto Ventana al Valle in Viñales.
 
Wo habt ihr gewohnt?
M: Im Edificio 700 – der Casa Tamara Bunke – auf dem Wohnheimgelände der CUJAE. Das Gebäude wurde im Rahmen unserer Projekt-Brigade renoviert, instand gesetzt und mit einer Küche sowie einer Waschmaschine ausgestattet. Vorher stand es eine ganze Weile leer und wir haben es uns dann Stück für Stück wohnlich gemacht. Es hat ein wenig gedauert, bis wir uns zuhause gefühlt haben.
F: Toll daran war, dass wir so auch eine räumliche Basis für das Proyecto hatten, wo wir unsere Artikel besprechen, aber auch einfach nur gemütlich zusammensitzen konnten. Trotzdem hat bei mir persönlich auch dazu gehört, Bilder von Familie und Freund*innen ins Zimmer zu hängen um mich zuhause fühlen zu können. Und ich wollte unbedingt einen Toilettensitz haben.
 
Waren viele Studierende aus dem Ausland vor Ort? Woher kamen diese?
F: Es waren auf jeden Fall noch einige andere ausländische Studierende vor Ort. Wie viele es insgesamt waren, weiß ich allerdings nicht genau.
M: Der Großteil kam aus Ländern des Trikont – vor allem aus Lateinamerika und Afrika. Wir haben aber auch Studierende eines deutschsprachigen Austauschprojekts für angehende Architekt*innen getroffen.
 
In Deutschland verschulden sich immer mehr Studierende durch Kredite mit »marktüblichen« Zinsen. Wie finanzieren a) die kubanischen und b) die anderen ausländischen Studierenden ihr Studium?
F: Für Kubaner*innen ist das Studium kostenfrei. Allerdings wird der Begriff »kostenfrei« dort weiter verstanden als bei uns. Er meint nicht nur, dass keine Studiengebühren oder ähnliches erhoben werden, sondern auch, dass die für das Studium erforderlichen Bücher kostenfrei von der Uni geliehen werden können. Außerdem bekommen Studierende, die beispielsweise in Havanna studieren, deren Familien aber nicht in der Provinz Havanna leben, einen Platz im Studierendenwohnheim. Dieser ist ebenfalls kostenfrei, so wie auch das tägliche Essen in der Mensa. Als ich einmal gefragt wurde, ob ich für mein Studium an der Humboldt Universität Berlin bezahlen würde, kam ich ins stocken. Studiengebühren gibt es an staatlichen Universitäten in Berlin nicht. Dennoch fallen pro Semester etwa 300 € für Verwaltungsgebühren, verschiedene Beiträge und das Semesterticket an.
M: Ausländische Studierende zahlen für das Studium einen Beitrag. Wie hoch dieser im Regelfall allerdings genau ist, weiß ich nicht. Für viele Menschen die aus anderen Ländern des Trikonts kommen, um in Kuba zu studieren, ist dort auch eine Chance gegeben, die sie wirtschaftlich in ihrer Heimat nicht haben. Das sagt zumindest etwas darüber aus, wie das Verhältnis der Studiengebühren in Kuba gegenüber jenen in anderen Ländern ist. Als Teilnehmer*innen des Proyecto Tamara Bunke haben wir Wohnheimmiete und Studiengebühren bezahlt, die aber zum Einen unter dem Niveau in Deutschland lagen und welche ich zum Anderen auch als solidarischen Beitrag an die CUJAE und ihre Infrastruktur gesehen habe.
 
Wie war das Verhältnis der Studierenden untereinander?
M: Freundschaftlich, interessiert, solidarisch. Es wurde miteinander diskutiert, Partys gefeiert und auch beim Aktionstag gegen die Blockade am 31. Oktober, der an der CUJAE mit einem bunten Programm begangen wurde, gab es viel Austausch.
 
Zur Blockade – Durch zunehmende Sanktionen macht die US-Regierung der kubanischen Bevölkerung das Leben immer schwerer.
Wie war das in eurer Wahrnehmung und wie reagiert die Bevölkerung?
M: Natürlich ist die Blockade immer irgendwo spürbar. Während unserem ersten Monat war das Mehl wegen ausbleibender Getreidelieferungen knapp. Es fehlt immer mal wieder etwas und teilweise konnte das Einkaufen, wenn etwas Bestimmtes gesucht wurde, sehr ermüdend sein. Das ist ja auch Teil des Kalküls des US-Imperialismus, die Bevölkerung zu zermürben und es dann der kubanischen Wirtschaft und der Revolution in die Schuhe zu schieben. Das ist im Alltag natürlich immer wieder auch sehr frustrierend. Wir haben es uns mit der Zeit von den Kubaner*innen abgeschaut und dann einfach danach entschieden, was wir kochen wollten, was beim örtlichen Gemüsestand und/oder dem Konsum gerade vorhanden war. Gerade vor kurzem betonte unser Freund Andi zu den aktuellen Bedingungen unter der verschärften Blockade und dem wegen der COVID-19-Pandemie wegfallenden Tourismus, erst wieder, dass man in Kuba sehr erfindungsreich und ausdauernd sei, und dass dies gerade wieder besonders nötig wäre. Natürlich merken unter den verschärften Bedingungen, die die Trump-Administration von Seiten der USA gegenüber Kuba geschaffen hat, auch jene Kubaner*innen wieder, dass das US-Imperium kein Freund der Menschen ist, die zuvor auf Obama's Lächeln hereingefallen sind.
 
In eure Zeit auf Kuba fiel der Prozess zur neuen Verfassung. Wie habt ihr diesen erlebt?
F: Der Prozess der Verfassungsreform hat mich wirklich beeindruckt. Er war sehr umfangreich und entsprechend schwer fällt es mir, mich bei dem Thema kurz zu fassen. Dass die kubanische Bevölkerung dabei so stark eingebunden wurde – die Abstimmung am Ende war ja bloß der finale Schritt – hat mich begeistert. Vorher wurde ein Entwurf der neuen Verfassung veröffentlicht. Dann fanden überall im Land in den Nachbarschaften, Betrieben, Universitäten usw. Veranstaltungen statt, bei denen der Entwurf Kapitel für Kapitel besprochen und Änderungsvorschläge aufgenommen wurden. Diese wurden gesammelt, geordnet und zusammengefasst und auf ihrer Grundlage wurde der Verfassungsentwurf noch einmal überarbeitet. Diese überarbeitete Version wurde dann zur Abstimmung gestellt und von der kubanischen Bevölkerung mit überragender Mehrheit angenommen, was mich bei einem so inkludierenden Prozess aber auch nicht gewundert hat.
Immer wieder musste ich daran denken, was damals die letzte größere Verfassungsänderung bei uns gewesen war: die Möglichkeit der Autobahnprivatisierung ging mit einigen Änderungen im Grundgesetz einher. Diese wurden während der Fußball WM relativ still und heimlich und an der Öffentlichkeit vorbei vom Bundestag beschlossen, obwohl ein Großteil der Bevölkerung gegen eine Autobahnprivatisierung war.
Natürlich war mir schon vor unserem Aufenthalt bewusst, dass Kuba nicht die Diktatur ist, von der viele Medien hierzulande gerne sprechen. Aber, dass es so demokratisch ist und eine so starke politische Teilhabe der Bürger*innen stattfindet, hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet.

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