Gedenken an Santiago Feliú
Die Internationale Buchmesse in Kuba ist immer auch ein musikalisches Event. In den vergangenen Jahren schloss die Literaturschau jeden Tag mit einem Konzert auf dem Hauptplatz der Festungsanlage Fortaleza de San Carlos de la Cabaña. Inzwischen finden in der ganzen Stadt Konzerte statt. Im Fokus dabei steht in diesem Jahr der kubanische Liedermacher Santiago Feliú, der nur einen Tag vor Beginn der Buchmesse völlig überraschend und mit nur 51 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben ist. Die kubanische Presse widmete ihm in den vergangenen Tagen viel Raum. Zugleich fanden mehrere Konzerte zu Ehren von "Santi" statt.
Der mediale und öffentliche Umgang mit dem "Trovador", wie die Liedermacher in Kuba heißen, ist mehrfach beachtlich. Santiago Feliú, der sich wie sein Bruder Vicente der Musik verschrieben hatte, gehörte vor allem in den achtziger Jahren zu den kritischsten Vertretern seiner Zunft. Zugleich hat er es – wie viele andere kubanische Künstler – stets abgelehnt, sich vor den Karren antikubanischer Kräfte spannen zu lassen. Santiago Feliú belegte damit, dass es in Kuba kein Schwarz-Weiß gibt, wie es westliche Medien darstellen, kein Für oder gegen die Revolution, sondern vor allem ein kritisches Miteinander. In der Tageszeitung Juventud Rebelde formulierte das der Feuilletonist Joaquín Borges-Triana, ein intimer Kenner der Trovador-Szene, so: "Der gleiche Sänger, der für unser soziales Sein als Nation eintritt, wettert in seinem Texten wütend gegen den bürokratischen Starrsinn." Feliú gehörte auch zu den Kritikern der Vermarktung kubanischer Musik. "Sein poetischer Diskurs", schreibt der Musikjournalist Humberto Manduley, "birgt all das Persönliche, das die herrschenden Bedingungen der globalisierten Kunst zulassen."
Feliú widmete das Genre des politischen Liedes, also der "Canción Protesta" oder der "Nueva Canción" Südamerikas rasch um. Er sei ein Vertreter der "Canción Inteligente", sagte er in Interviews immer wieder, des "Intelligenten Liedes". Auch das war ein Ausdruck des Strebens der kubanischen Trovadores, bei aller Solidarität zum revolutionären Prozess eine kritische Position beizubehalten. Santiago Feliú gehörte damit auch zu jenen, die Kubas Entwicklung in den 1990er Jahren mit großer Sorge und einem nicht minder großen Maß an Patriotismus verfolgten. Während nicht wenige Musiker, Sportler und Schriftsteller in die USA und Europa emigrierten, um fortan bezahlt gegen die sozialistische Führung in Kuba zu wettern, blieben Feliú und seine Mitstreiter auf der Insel. "Wir haben immer unsere eigene Sache vertreten und verteidigen sie bis heute", schrieb er einmal in einer Grußnote zur Präsentation einer CD von Musikerkollegen: "Wir belegen damit die Kontinuität des Intelligenten Liedes, jeder von uns mit seiner eigenen Botschaft, seinem musikalischen und poetischen Ausdruck."
Am Samstag würdigten in der "Fabrik der kubanischen Kunst" – einer alten Industrieanlage am Río Almendares, in der ein Kulturzentrum eingerichtet wurde – mehr als ein Dutzend Liedermacher dieses Schaffen und den hohen persönlichen Einsatz. Unter ihnen war Gerardo Alfonso, der auf seine Havanna-Hymne "Sabanas Blancas" ("Weiße Laken") verzichtete und wie alle anderen Künstler einen Titel von Feliú interpretierte. Ebenso spielte Frank Delgado, dessen Titel "Si el Che viviera" ("Wenn Che noch leben würde") und "Veterano" ("Veteran") in den 1990er Jahren sowohl die offizielle Historiografie Kubas – im Fall von "Veterano" den Blick auf den Angola-Krieg –, als auch die gesellschaftlichen Unbrüche hinterfragten. Auch Carlos Varela trug ein Lied seines verstorbenen Freundes vor. Über Verluste hatte er schon früher gesungen. "Dann nahm sein Vater meinen Freund fort von hier/ uns steckte ihn in ein Schiffchen ohne Wiederkehr/ Wir drehten uns hier wie im Kreise/ und weinten angesichts seiner Reise", sagt er 1989 in dem Lied Jalisco Park über die Emigranten und die Daheimgebliebenen.
Was damals auf staatlicher Seite nicht wohlgelitten war, wird heute in den offiziellen Medien ebenso kommentiert. "Die Auswanderung und der Tod" habe auch ihm viele Freunde gekostet, schreibt Borges-Triana in der Juventud Rebelde. Was belegt, dass die Themen der solidarischen aber immer besorgten Trovadores Kuba verändert haben. Feliú hätte das gefallen.
Verwandte Artikel
- Literatur und Debatten in Havanna (15.02.2014)
- Cuba-Sí-Stand in Havanna steht (13.02.2014)