17.03.2011 Druckversion

Stellungnahme von Cuba Sí zur Libyen-Resolution des Europaparlaments

Erklärung des Koordinierungsrats der AG Cuba Sí in der Partei DIE LINKE

Mit Unverständnis haben wir das Abstimmungsverhalten von Lothar Bisky, dem Vorsitzenden der GUE/NGL-Fraktion im Europaparlament, zum Entschließungsantrag „Zu den südlichen Nachbarländern der EU, insbesondere Libyen“ zur Kenntnis genommen. Das Einbringen und die Zustimmung zu einer Resolution des Europaparlaments, welche sich offen für die Einrichtung einer Flugverbotszone über dem libyschen Luftraum ausspricht, angeb­lich mit dem Ziel, „die libysche Zivilbevölkerung vor großangelegten bewaffneten Angriffen zu bewahren“, ist nicht vereinbar mit den friedenspolitischen Grundsätzen unserer Partei. Eine Flugverbotszone über Libyen zu unterstützen, bedeutet nichts anderes, als einem neuen NATO-Krieg offen das Wort zu reden. Denn die Durchsetzung einer Flug­ver­bots­zone ist nichts anderes als die Ausschaltung der gegnerischen Luftabwehr und Luft­waffe, was ohne ausdrückliches Mandat der UNO eine vom Völkerrecht nicht gedeckte krie­ge­rische Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates darstellt.

Die bedauerliche gewaltsame Auseinandersetzung in Libyen hat den Charakter eines offenen Bürgerkriegs angenommen, der wie jeder Krieg Opfer unter der unbeteiligten Zivil­bevölkerung verursacht. Sie ist aber weit davon entfernt, in einen Völkermord umzuschlagen, der ein bewaffnetes Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen der UN-Charta notwendig machen würde. Der Beweis massiver Bombardierungen gegen die Zivil­gesellschaft ist bisher nicht erbracht worden. In dieser Situation sich durch Parteinahme für eine der Kriegsparteien für die gewaltsame Durchsetzung von „Freedom and Democracy“ in Libyen einzusetzen, während man seit langem mit der anderen Seite gemeinsame Öl- und Rüstungsgeschäfte abwickelte und gleichzeitig Auffanglager für abgeschobene Flüchtlinge aus Europa unterhielt, gehört zu der wohlbekannten doppelzüngigen außenpolitischen Rhetorik und Praxis der EU. Dass aber Abgeordnete der GUE/NGL-Fraktion, und insbeson­dere ihr Vorsitzender, diesen Antrag unterstützen, wird von uns entschieden abgelehnt. Die gesonderte Abstimmung über den Paragraphen 10, der die Einrichtung der Flugverbotszone beinhaltet, und dem Lothar Bisky nicht zugestimmt hat, erklärt oder entschuldigt eine Zustimmung zum Gesamtantrag in keiner Weise.

Die Kriegspolitik der NATO ist entschieden abzulehnen. Allein die von der EU anmaßend behauptete „Schutzverantwortung“ für die libysche Bevölkerung sollte stutzig machen, argumentiert sie doch im Sinne einer imperialistischen Deutungs- und Verantwortungshoheit, welche die Begriffe Freiheit, Demokratie und soziale Emanzipation schamlos usurpiert.

Die libysche Oppositionsbewegung ist kein Hort der Freiheit und Demokratie. In ihren Reihen kämpfen Islamisten und sie werden vom Ausland mit Waffen und Spezialkräften unterstützt. Die Aufständischen in Benghazi und Tobruk wählten nicht ohne Sinn eine andere Losung für den Beginn der Revolte. Nicht der „Tag des Zorns“, wie etwa in Ägypten und Tunesien, wurde beschworen, sondern der „Tag der Rache“. Diese Oppositionsbewegung in Libyen versucht die Verteilung des nationalen Ölreichtums und die politischen Machtverhältnisse im Interesse der ehemaligen königstreuen Kräfte zu verändern. Sie warten seit 40 Jahren auf diese Gelegenheit und versuchen nun, sie mit Waffengewalt auszunutzen.

Libyen ist in keiner Weise Beispiel für eine emanzipatorische und solidarische Gesellschaft. Aber weder liegt es in unserem Ermessen noch entspricht es dem Selbstverständnis unserer Partei, vom imperialen Standpunkt aus kluge Ratschläge zu erteilen oder in einem Bürgerkrieg bewaffnet Partei für diejenigen zu ergreifen, die ihre Ziele nur mit Hilfe einer völkerrechtswidrigen Intervention von außen durchsetzen könnten. Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit sind Ergebnis gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse, die nicht herbei­gebombt werden können. Wer für den Krieg stimmt, und sei es nur in der verkappten Form einer Flugverbotszone, verstößt gegen den wichtigsten friedenspolitischen Grund­satz unserer Partei: Krieg darf kein Mittel der Politik sein! Gaddafi nützt die antiimperialis­tische Grundstimmung der arabischen Bevölkerung aus für eigene Interessen. Seine Politik der Nationalisierung des Erdöls bringt ihn in Konflikt mit den imperialistischen Staaten und deren Ölkonzernen, die einen freien Zugriff auf das libysche Erdöl fordern. Seine Politik ist weder links noch emanzipatorisch. Aber nichts rechtfertigt die Kriegspolitik der NATO.

Verabschiedet im Konsens durch den Koordinierungsrat der AG Cuba sí

Berlin, den 16.03.2011

Veröffentlicht in Standpunkt | Tags: Europaparlament, Libyen, Stellungnahme