Klimawandel in deutsch-kubanischen Beziehungen?
Nach zehnjähriger Abstinenz reiste vom 7. bis 13. Januar erstmals wieder eine Bundestagsdelegation nach Kuba. Zur Delegation des Haushaltsausschusses gehörte Michael Leutert von der Linksfraktion. Er berichtete am gestrigen Mittwoch im voll besetzten Rosa-Luxemburg-Saal über die Entwicklung der deutsch-kubanischen Beziehungen. Dabei zog er eine optimistisch stimmende Bilanz der Reise und wagte eine hoffnungsvolle Prognose hinsichtlich eines "Klimawandels" in den deutsch-kubanischen Beziehungen. Es seien "Gespräche auf Augenhöhe" geführt worden. Dabei wurde auf beiden Seiten der Wunsch nach einer Reaktivierung des Kulturabkommens zum Ausdruck gebracht, welches 2003 - unterschriftsreif - durch den damaligen Außenminister Joschka Fischer auf Eis gelegt wurde. Im gleichen Jahr sagte die Bundesrepublik ihre Teilnahme an der Internationalen Buchmesse in Havanna 2004 ab, obgleich Deutschland Gastland-Status hatte.
Deutschland ist seither einer der "Hardliner" in der Europäischen Union, was die Aufrechterhaltung des "Gemeinsamen Standpunktes gegenüber Kuba" mit der Forderung nach einem Systemwechsel als Bedingung für die Normalisierung der Beziehungen angeht.
Die Ausgangsbedingungen für ein Ende der diplomatischen Eiszeit stünden dennoch nach Einschätzung Leuterts so gut wie nie zuvor, auf dessen Initiative die Delegationsreise des Haushaltsausschusses stattgefunden hatte. Dafür spräche die lange akribische Vorbereitung der Reise von gut einem Jahr und die gegenwärtig laufende ernsthafte Nachbereitung.
Ob die vor Kuba entdeckten Erdöllagerstätten dabei eine Rolle spielen, darüber kann nur spekuliert werden. Es scheint sich jedoch in Berlin die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass gute Beziehungen zu Kuba auch die Kontakte zum Wirtschaftsraum Lateinamerika günstig beeinflussen dürften - genießt Kuba doch ganz erhebliches Ansehen in den Ländern des Subkontinents.
Auch wenn die Bundesregierung in ihrer offiziellen Kubapolitik (noch) einen äußerst rigiden Kurs verfolgt, so droht sie doch von der wirtschaftlichen Realität in den Beziehungen zwischen Deutschland und Kuba überholt zu werden. Diese erfreuen sich nämlich bester Entwicklung, wie die Wirtschafts- und Handelsrätin der Botschaft Kubas, Tania Vázquez, informierte.
In ihrem Vortrag gab sie einen Überblick über die wichtigsten Wirtschaftsfelder und illustrierte anhand vieler Beispiele die ganz konkrete bilaterale Zusammenarbeit. Demnach bestehen über mehrere Jahre erfolgreich gewachsene Geschäftsbeziehungen mit den Landesregierungen verschiedener Bundesländer, regelmäßige Wirtschaftsdelegationsreisen nach Kuba und Deutschland seien inzwischen ganz normal.
Wie weit der Anspruch deutscher Kubapolitik und wirtschaftliche Realität auseinander klaffen, wurde im Verlaufe des Abends deutlich. De facto sind die Forderungen des Gemeinsamen Standpunktes damit hinfällig, zumal Kuba inzwischen lebendige und fruchtbare Beziehungen zur Mehrzahl der europäischen Staaten pflegt. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung dies ebenso erkennt und sich der immer wieder bekräftigten Gesprächsbereitschaft Kubas öffnet.