"Cuba vive y trabaja” – Kuba lebt und arbeitet!
Für unsere Delegation begann der Tag lange vor dem Sonnenaufgang: Aufstehen um 3 Uhr morgens, Abfahrt aus dem Hotel um 4 Uhr, Einnehmen der Plätze unter der Ehrentribüne am Platz der Revolution um 4.30 Uhr. Vor Ort liefen die letzten Ton- und Kameraproben, die ersten Teilnehmer nahmen im Demonstrationszug Aufstellung. Sie würden das Großplakat mit dem diesjährigen Motto tragen. Noch lag der Platz der Revolution menschenleer, Scheinwerfer erhellten die Dunkelheit.
An unserem Standort hatten sich inzwischen die Plätze mit über 600 Vertreter*innen der internationalen Solidaritätsbewegung, aus Gewerkschaften, Parteien und Verbänden aus über 20 Ländern gefüllt, erkennbar an zahlreichen unterschiedlichen Flaggen. Mit den ersten Sonnenstrahlen des Tages erklang pünktlich um 7 Uhr die Nationalhymne Kubas. Alle Augen wandten sich in Richtung Ehrentribüne, wo der Führer der kubanischen Revolution, Raúl Castro Ruz, mit großem Applaus ebenso begrüßt wurde wie der Staatspräsident und Vorsitzende des Staatsrats, Miguel Díaz-Canel.
Berührend für uns als Aktivisten der Solibewegung war vor allem die Anwesenheit aller 5 Helden der Republik Cuba (Los Cinco), für deren Freilassung aus US-amerikanischer Gefangenschaft die internationale Solibewegung so lange gekämpft hatte.
In kämpferischen Worten wandte sich der Vorsitzende der Gewerkschaft CTC an alle Anwesenden: Dieser 1. Mai sei besonders, da es noch entschlossener als bisher gelte, die kubanische Revolution zu verteidigen gegen die immer aggressiver und hemmungsloser geführte Verleumdungskampagne gegen Kuba, die sich verstärkt im virtuellen Raum abspielt.
Entschlossener denn je sei das kubanische Volk, seine Freiheit und die Souveränität seines Landes zu verteidigen, um das von der Bevölkerung gewählte Gesellschaftsmodell weiter zu entwickeln zu einem Sozialismus, der Wohlstand und Nachhaltigkeit für alle bietet. In diesem Sinne wurden neben den Werktätigen der staatlichen Betriebe auch ausdrücklich die Vertreter*innen der neu gegründeten kleinen und mittelständischen privaten Unternehmungen und Genossenschaften begrüßt.
Aktuelles Beispiel für eine gelebte Volksdemokratie sei die öffentliche Debatte zur Reform des Familiengesetzes. In einem Referendum werde zu diesem Gesetzentwurf abgestimmt werden.
Gänsehaut pur ergriff uns beim Anblick der nicht enden wollenden Menschenmenge mit unzähligen Fahnen und Transparenten, die sich diszipliniert in Bewegung setzte. Angeführt wurde der Zug von den Werktätigen des Gesundheitssektors. Immer wieder betonten die Kommentator*innen die Leistung der Forscher*innen und Ärzt*innen im Kampf gegen die Pandemie: „Ellos salvaron el país“ – „Sie haben das Land gerettet“ war auch auf zahlreichen Plakaten zu lesen.
Gemeint war damit die schier unglaubliche Erfolgsgeschichte der Entwicklung von 5 Impfstoffen gegen COVID-19 und die breit angelegte nationale Impfkampagne, die Kuba und seinen Menschen die Rückkehr in den Alltag ermöglicht hat – trotz einer verschärften Sanktionspolitik und der menschenfeindlichen Blockade der USA.
Den Werktätigen des Gesundheitswesens folgten die Arbeiter*innen und Student*innen aus dem Bildungsbereich, aus Universitäten und Hochschulen, den Betrieben der Hauptstadt, aus den Ministerien, Verwaltungseinrichtungen und aus den Streitkräften. Mitreißende Musik versetzte nicht nur die Menge im Demonstrationszug ins Tanzen und Singen – die kämpferisch-fröhlich-ausgelassene Stimmung übertrug sich sofort auch auf uns.
Wir spürten im Blickkontakt und bei unzähligen coronagerechten Begrüßungen mit den vorbeiziehenden Demonstrant*innen Stolz und Freude und den gesunden Patriotismus, den das kubanische Volk ausmacht: Stolz auf die verwirklichten Rechte der Werktätigen, Freude über den Ausgang aus der Pandemie und die Liebe zu ihrem Land, um dessen Souveränität gegen alle Angriffe zu verteidigen.
Aus den Blicken und Worten sprach darüber hinaus auch Dankbarkeit für die Solibewegung und die internationale Gemeinschaft, die Kuba in der aktuell schwierigen Situation nicht im Stich lassen – Cuba no está sola! Kuba ist nicht allein! – Und wir werden nicht nachlassen in unserer Solidarität!
Unzählige Bilder und Transparente mit Motiven von Fidel, Raúl, Che und Miguel Díaz-Canel unterstrichen die Verbundenheit des kubanischen Volks mit ihrer Regierung und ihrem Gesellschaftsmodell.
Mit der Melodie der „Internationalen“ klang nach anderthalb Stunden diese eindrucksvolle Manifestation der Stärke, Einheit und Standhaftigkeit des kubanischen Volks aus.
Nach zwei Jahren schien es, dass die Teilnahme an diesem internationalen 1. Mai den Menschen noch weitaus stärker ein Bedürfnis gewesen ist. Mehr denn je ist das kubanische Volk entschlossen, seine Revolution gegenüber allen perfiden Angriffen des Imperiums im Norden zu verteidigen und sich nicht spalten zu lassen.
Die Kraft und Energie, die wir heute hier erlebt haben, erfüllt auch uns mit Entschlossenheit, den Kampf für ein Ende der US-Blockade, für ein Leben in Würde und Gerechtigkeit und für die Souveränität Kubas und seines Gesellschaftsmodells an der Seite der Kubaner und Kubanerinnen mit all unserer Solidarität zu führen.
PS: Anlässlich des 30. Jubiläums der Gründung von Cuba sí weilt vom 28. April bis 15. Mai eine Delegation aus langjährigen Aktivist*innen und Mitstreiter*innen in Kuba. Bei Gesprächen und Begegnungen mit unseren Partnern und in verschiedenen Einrichtungen werden wir uns über die aktuelle Situation informieren, Kubas Vorhaben im Rahmen der „tarea ordenamiento“ kennenlernen und unsere Landwirtschaftsprojekte besuchen. So werden wir unsere politische und materielle Solidarität noch zielgerichteter an den derzeitigen Anforderungen ausrichten.
Miriam Näther