Hans Modrow diskutiert in Kuba
Der Vorsitzende des Ältestenrats der Partei DIE LINKE, Dr. Hans Modrow, hat im Rahmen der Internationalen Buchmesse von Havanna die spanische Ausgabe seines Buches "Perestroika. Wie ich sie sehe" vorgestellt. In Anwesenheit von gut 200 Gästen und im Beisein des kubanischen Kulturministers Rafael Bernal diskutierte der 86-jährige mit dem kubanischen Publikum über die Umbrüche in Europa 1989/1990. Dabei gestand Modrow auch Fehler ein.
Der Bau der Berliner Mauer 1961 sei zunächst zwar richtig gewesen, um eine drohende militärische Auseinandersetzung abzuwenden, sagte der frühere Ministerpräsident der DDR auf die kritische Nachfrage eines kubanischen Gastes: Die Existenz der Mauer über Jahrzehnte hinweg aber sei eine menschliche und politische Tragödie gewesen. Zudem hob Modrow die Rolle der Grenzpolizisten 1989 hervor. "Es wäre nicht auszudenken gewesen, was geschehen wäre, wenn einer von ihnen auf die Menschen geschossen hätte, die ausreisen wollten", sagte Modrow. Als Politiker sei er den Polizisten an der Grenze bis heute dankbar, "dass sie die Situation, in die wir sie gebracht haben, so gelöst haben".
Die Buchpräsentation war von der Solidaritätsorganisation Cuba Sí organisiert worden. Sie hatte auch die Übersetzung des Buchs organisiert, das erstmals 1998 von Berliner Verlag Edition Ost publiziert worden war. Moderiert wurde die Buchvorstellung im größten Saal der Festungsanlage Fortaleza de San Carlos de la Cabaña über dem Hafen von Havanna von der Direktorin von Radio Habana, Magda Resik, und dem deutschen Journalisten und Lateinamerika-Wissenschaftler Harald Neuber.
Ausführlich äußerte sich Modrow zu der Rolle Kubas in der sozialistischen Staatengemeinschaft und heute. "Für uns in der DDR rückte Kuba – wie für die europäische Jugend – mit der Revolution 1959 ins Blickfeld", sagte er auf eine Frage der kubanischen Journalistin Resik. Fidel Castro und Che Guevara waren damals "junge Männer, deren Kampf uns begeisterte und zumindest mein revolutionäres Denken nachhaltig beeinflusst hat". Überlebt habe der kubanische Sozialismus die geopolitischen Umbrüche gerade wegen der Revolution, „während bei uns in Deutschland und Europa der Sozialismus ein Resultat der Befreiung vom faschistischen Joch durch die Rote Armee war", so Modrow. Wegen der revolutionären Prozesse aber habe sich der Sozialismus in Kuba ebenso gehalten wie in Vietnam und China.
Die progressiven Prozesse in Lateinamerika seien heute ein wichtiger Bezugspunkt auch für die europäische Linke, so Modrow: "Zugleich sind diese Prozesse für uns als Marxisten eine theoretische Herausforderung, weil wir ja immer davon ausgegangen sind, dass Revolutionen mit einem gewaltsamen Bruch mit dem alten System einhergehen müssen". Für ihn hätte der Austausch mit der lateinamerikanischen Linken aber schon früher wichtige Denkanstöße gegeben. "1992 hatte ich die Möglichkeit, mit Fidel Castro eine Nacht lang zu sprechen", erinnerte er sich. Und 1999 sei er in Chile mit dem damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chiles, Volodia Teitelboim, zusammengekommen. "Er sagte mir schon damals, dass die lateinamerikanische Linke an Konzepten für die Zukunft arbeitet, während wir in Europa unsere Wunden lecken", so Modrow.
Auf die Frage Neubers nach dem Eurozentrismus der europäischen Linken, bestätigte Modrow, dass dies eines der Probleme bei der Annäherung der fortschrittlichen Kräfte beider Erdteile sei. "Vor allem aber müssen wir uns innerhalb der Europäischen Union erst einmal einig werden, wie wir zu dem Brüsseler Projekt stehen", führte er weiter aus. Zudem sei Europa größer als die EU. Aber mit den linken Kräften in übrigen Teilen Europas finde kaum ein Dialog statt. Eine Einigung auf gemeinsame Positionen sei aber der erste Schritt, um sich auch über die Haltung gegenüber der lateinamerikanischen Linken klar zu werden.