16.07.2015 Druckversion

Ein politischer und diplomatischer Erfolg Kubas

Stellungnahme der AG Cuba Sí zum Kuba-Besuch des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland Frank-Walter Steinmeier vom 16. bis 17. Juli 2015
Ein politischer und diplomatischer Erfolg Kubas

Der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Frank-Walter Steinmeier, besucht auf Einladung seines kubanischen Amtskollegen Bruno Rodríguez Parilla vom 16.-17. Juli 2015 die Republik Kuba. Den Minister begleiten Repräsentanten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sowie zahlreiche Medienvertreter.

Die AG Cuba Sí begrüßt diesen Staatsbesuch. Frank-Walter Steinmeier ist der erste Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, der Kuba besucht. Diese Reise symbolisiert den längst überfälligen Schritt der deutschen Bundesregierung, die Beziehungen zur Republik Kuba nach mehr als 50 Jahren politischen Zögerns und diplomatischer Zurückhaltung zu normalisieren. Während des Besuches der hochrangigen Delegation aus Deutschland in Kuba sollen Rahmenvereinbarungen für die künftige Zusammenarbeit beider Länder unterschrieben werden.

Viele Mitgliedsländer der Europäischen Union haben bereits bilaterale Abkommen mit Kuba abgeschlossen und auf diese Art und Weise den „Gemeinsamen Standpunkt“ der EU, der von Kuba einen Systemwechsel fordert, mehr und mehr ausgehebelt. Deutschland als das ökonomisch stärkste und politisch einflussreichste Land der EU stand bei der Verbesserung der Beziehungen der EU zu Kuba bisher leider nicht in vorderster Reihe.

Die Reise des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland ist ein Ergebnis des veränderten politischen Kräfteverhältnisses in Lateinamerika. Kuba hat die schwere Krise der 90er Jahre überstanden, konnte sich aus einer politischen und ökonomischen Isolation befreien und ist heute gleichberechtigter Partner in der lateinamerikanischen Staatenfamilie. Neue Staatenbündnisse, wie z.B. ALBA und CELAC, bestimmen maßgeblich die gemeinsame Politik des Kontinents, neue Finanzstrukturen jenseits des US-Dollars sind im Entstehen, und große Wirtschaftspartner wie China und Russland sind in Lateinamerika aktiv. Gute Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, der EU und der USA zu diesem Kontinent sind heute nur noch möglich, wenn das Verhältnis zu Kuba auf eine gute Basis gestellt wird.

Zu einem Umdenken in den Reihen der Bundesregierung haben letztlich auch die Ankündigungen von US-Präsident Barack Obama und des kubanischen Präsidenten Raúl Castro am 17. Dezember 2014, die Beziehungen zwischen den USA und Kuba normalisieren zu wollen, sowie die daraufhin begonnenen Verhandlungen zwischen beiden Ländern geführt. Der Besuch des französischen Präsidenten Francois Hollande im Mai 2015 hat zusätzlich dazu beigetragen, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre abwartende und zögerliche Haltung gegenüber Kuba aufgegeben hat.

Allerdings haben sich auf Seiten der deutschen Politik die Auffassungen zum sozialistischen Gesellschaftsmodell Kubas sowie zum Recht des Landes, sein politisches System und seinen Entwicklungsweg selbst zu bestimmen, kaum geändert. Auch die Bundesrepublik Deutschland verfolgt nach wie vor einen Systemwechsel in Kuba und bietet dafür sogar ihre Strategien und Erfahrungen beim Anschluss der DDR an die BRD an. So äußerte Außenminister Steinmeier kurz vor dem Antritt seiner Reise gegenüber der „FAZ“: „... wir nehmen in Kuba eine Öffnung wahr, die wir aktiv begleiten möchten und zu der wir Deutsche mit unseren Transformationserfahrungen auch einiges anzubieten haben.“ (FAZ online 16. Juli 2015)

Deutschland genießt in Kuba hohes Ansehen. Im begonnenen Prozess der Normalisierung der Beziehungen zu Kuba kann die Bundesrepublik auch auf die guten Beziehungen zwischen der DDR und Kuba bis 1989/1990 sowie auf den guten Ruf, den die DDR noch heute in Kuba genießt, zurückgreifen. Offizielle diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und Kuba bestanden schon seit 1963. (Die Bundesrepublik brach zu diesem Zeitpunkt die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab, erst mit der Ostpolitik Brandts wurden 1975 wieder diplomatische Beziehungen zu Kuba hergestellt.) Kuba und die DDR unterhielten auf nahezu allen Gebieten – der Politik, der Wirtschaft, im Bereich von Wissenschaft, Kultur, Kunst, Bildung und Sport – enge Beziehungen und pflegten einen regen gegenseitigen diplomatischen Austausch. Mehrere Zehntausend Kubanerinnen und Kubaner lernten, studierten und arbeiteten in der DDR und beherrschen noch heute die Sprache ihres „zweiten Heimatlandes“.

Cuba Sí und die vielen Kuba-Freunde in der Bundesrepublik Deutschland setzen hohe Erwartungen in den Besuch des deutschen Außenministers in Havanna: Kuba muss endlich als souveräner und gleichberechtigter Partner anerkannt und behandelt werden. Die jetzt begonnenen Gespräche auf hoher politischer Ebene müssen der Startschuss sein für die Entwicklung gegenseitiger Beziehungen zum beiderseitigen Vorteil und für ein grundlegendes Vertragswerk zwischen beiden Ländern. Wir erwarten außerdem, dass sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der EU verstärkt für die formale Aufhebung des Gemeinsamen Standpunktes einsetzen wird.

Koordinierungsrat der AG Cuba Sí, 15. Juli 2015

Veröffentlicht in Rund um Kuba | Tags: Medienkampagne, Menschenrechte, Solidarität, Steinmeier