25.01.2011 Druckversion

Positionspapier der AG Cuba Si zur Programmdebatte in der Partei DIE LINKE

Die AG Cuba Sí begrüßt den vorgelegten Entwurf für ein Programm der Partei DIE LINKE. Der Programmentwurf hat das Potenzial, das Profil einer starken Linken zu schärfen, deren Ziel die Neugestaltung linker Politik in Deutschland sein muss.

Die AG Cuba Sí wird sich an der Debatte um das Parteiprogramm der LINKEN engagiert beteiligen und bei der Formulierung neuer politischer Inhalte aktiv mitwirken. Wir laden alle interessierten Genossinnen und Genossen aus allen Bundesländern ein, mit uns über unsere Solidaritätsprojekte und über das grundsätzliche Verständnis unserer Solidarität mit Kuba und den linken Regierungen und Bewegungen in Lateinamerika als Teil der aktuellen Programmdebatte zu diskutieren.

Ein solcher Diskurs soll auch der besseren Verständigung über unsere Grundsätze und dem Aufbau von neuen Cuba Sí - Regionalgruppen, vor allem in den westlichen Landesverbänden, dienen.

Cuba Sí möchte einen Beitrag dazu leisten, den Diskurs innerhalb unserer Partei und zusammen mit anderen kapitalismuskritischen Akteuren in der Gesellschaft über Möglichkeiten antikapitalistischer Entwicklung in der BRD, der EU und weltweit zu befördern.

Als wichtigen Beitrag im Kampf für eine gerechte und soziale Welt sieht die AG Cuba Sí die Bestimmung des Verhältnisses unserer Partei zu jenen Staaten in Lateinamerika, die heute den Übergang zu einer solidarischen und selbstbestimmten Gesellschaftsordnung begonnen haben.

Die AG Cuba Sí setzt sich dafür ein, dass die Partei DIE LINKE die Kämpfe der lateinamerikanischen Völker für eine selbstbestimmte gesellschaftliche Alternative jenseits von imperialistischer Hegemonie, neoliberaler Wirtschaftsordnung und zügellosem Raubbau an Mensch und Natur solidarisch unterstützt. Unsere Partei soll sich daher als Partner der emanzipatorischen Kräfte in diesen Ländern bei ihrer Suche nach ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen und partizipativen gesellschaftlichen Strukturen und Verhältnissen verstehen. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sollen als Erfahrungsschatz für das eigene Ringen um eine alternative
Gesellschaftsform jenseits der ideologischen Hegemonie der Herrschenden und der bestehenden kapitalistischen Eigentumsverhältnisse begriffen werden.

Die Bolivarianische Allianz für die Völker Lateinamerikas stellt jenseits aller kritikwürdigen Momente im Prozess der Entwicklung des Sozialismus im 21. Jahrhundert einen historischen Fortschritt dar.

Die Völker Lateinamerikas waren die Ersten, die mit den Auswirkungen neoliberaler Deregulierung und daraus resultierender gesellschaftlicher Spaltung konfrontiert waren, und sie haben die Folgen dieser Politik hart zu spüren bekommen. Ihre Erfahrungen können beim Aufbrechen der ideologischen Hegemonie des Neoliberalismus einen wichtigen Beitrag leisten und gleichzeitig den praktischen Beweis erbringen, dass der Aufbau einer anderen Welt, einer sozialistischen Alternative, möglich und notwendig ist.

Der Sozialismusbegriff muss von unserer Partei und in der Gesellschaft wieder kritisch angeeignet werden. Dabei gibt es keine unumstößlichen Gewissheiten und Vorlagen dafür, wie diese Gesellschaftsform verwirklicht werden kann. Sie muss ständig neu erfunden werden, und ihre Gestaltung stets revolutionäre und demokratische Tat sein.

Die AG Cuba Sí setzt sich dafür ein, dass die Partei DIE LINKE sich positiv auf die nationalen Befreiungsbewegungen in der Welt und auf die Revolution des Südens bezieht, deren Wesen die Befreiung von imperialistischer Dominanz und die Überwindung vormoderner und kapitalistischer Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse ist. „Die Revolution des Südens (...) ist eine Revolution, die nicht mehr jene Revolution der heldenhaften Guerillakolonnen der Sierra Maestra oder im Hochgebirge von Bolivien ist. (...) Diese Revolution ist anders, sie geht (...) von den Städten, von den Massen (aus). Es ist eine Massenrevolution, aber sie ist friedlich und will friedlich bleiben. Sie ist zutiefst demokratisch.“ (Hugo Chavez auf der 64. Vollversammlung der Vereinten Nationen)

Die Solidarität mit den linken, emanzipatorischen Kräften in Lateinamerika ist nicht einseitig bestimmt. Solidarität richtet sich immer auf die Verbesserung der konkreten Bedingungen, unter denen eine selbstbestimmte und demokratische Entwicklung sich vollziehen kann. Indem wir einen Beitrag zur Unterstützung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung auf Kuba und in Lateinamerika leisten, helfen wir nicht nur, die Abhängigkeiten von der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung zu verringern und die Dominanz der imperialistischen Akteure zurückzudrängen. Die Entwicklung einer alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Lateinamerika und der Karibik gibt eben auch uns Erfahrungen, Argumente und Beispiele in die Hand, um hier in Deutschland und in Europa den Kampf für und die Suche nach gesellschaftlichen Verhältnissen jenseits von Neoliberalismus und Imperialismus voranzubringen.

Die AG Cuba Sí fordert daher, dass folgende Punkte in der kommenden
Programmdebatte aufgegriffen werden, um damit das außenpolitische Profil der Partei zu stärken:

Die Partei DIE LINKE setzt sich dafür ein,

  • dass die Bundesregierung und das Europäische Parlament aufgefordert
    werden, Druck auf die US-Administration auszuüben, damit diese ihre
    imperiale und hegemoniale Einmischung in die gesellschaftlichen Prozesse in
    Lateinamerika, insbesondere gegenüber den ALBA-Staaten, unterlässt und die Blockadepolitik gegenüber Kuba bedingungslos einstellt;
  • dass alle Abkommen mit den Staaten Lateinamerikas entwicklungspolitisch
    kohärent gestaltet und die Verhandlungsprozesse transparent und partizipativ geführt werden;
  • dass der Integrationsprozess im Rahmen der ALBA in der deutschen Öffentlichkeit, im Bundestag und dem Europäischen Parlament positiv aufgegriffen und gefördert wird; dementsprechend sollen keine Freihandelsabkommen durchgesetzt werden, da diese den Integrationsbestrebungen entgegenstehen;
  • dass die Erfolge der progressiven Sozialpolitik im Inneren der Gesellschaften (Venezuela, Kuba) und bei der gegenseitigen Hilfe (Haiti, Zentralamerika) positive Beachtung finden;
  • dass Entwicklungshilfe nicht länger die Folgen von Krieg und politischen Unruhen oder Misswirtschaft von politischen Regimes abfedert, sondern insbesondere in dem vernachlässigten landwirtschaftlichen Sektor Aufbauhilfe für Kleinbauern und für nachhaltige und umweltverträgliche Produktion im ländlichen Raum leistet.
  • dass Anbau von Nahrungsmitteln nicht weiterhin zunehmend durch Futter-, Faser- und Kraftstoffpflanzen zurückgedrängt wird und dass er nicht mit patentiertem, transgenem Saatgut, sondern nachhaltig und unter Berücksichtigung lokaler Erfahrungen und Traditionen erfolgt.
  • dass die partizipativen und sozialen Errungenschaften der verfassunggebenden Prozesse in den Ländern Lateinamerikas auch in Deutschland aufgegriffen und diskutiert werden;
  • dass die EU den Gemeinsamen Standpunkt gegenüber Kuba aufgibt und  endgültig auf die Forderung nach Systemveränderung in Kuba verzichtet;
  • dass parteinahe Stiftungen, NGOs etc. ihre Arbeit in den links regierten Ländern Lateinamerikas nicht zur Einflussnahme auf die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Ziel des Sturzes dieser Regierungen missbrauchen;
  • dass die linken Regierungen in Lateinamerika in ihrem Widerstand gegenüber undemokratischer und gewaltsamer Obstruktion seitens der alten Eliten energisch unterstützt werden.

Weiterhin fordert die AG Cuba Sí in der Programmdebatte der Partei DIE LINKE

  • dass der Zusammenhang von nationaler und internationaler Politik stärker herausgestellt wird. Die Forderung nach Mindestlöhnen/Mindesteinkommen darf sich nicht nur auf Deutschland oder Europa beschränken, sondern gilt für alle Menschen auf dieser Welt;
  • dass die gemeinsamen Ursachen der Hungerrevolten in den armen Ländern und der wachsenden Armut in den entwickelten Ländern benannt und bekämpft werden: Dazu gehören in der neoliberalen kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung die Finanzkrise, Spekulation mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Wasser, fehlgeleitete Subventionen in der EU, Strategien der transnationalen Agrar- und Lebensmittelkonzerne, die Handelspolitik der EU mit Agrarexportsubventionen und Dumpingpreisen, die Rolle der globalen Welthandels- und Finanzorganisationen, die Schuldenfalle sowie die ungerechten Verteilungsverhältnisse.
  • dass Hungerbekämpfung nicht nur als Aufgabe der Entwicklungspolitik angesehen, sondern bei der Gestaltung aller Politikbereiche (wie z.B. Klima, Energie, Wirtschaft etc.) das Recht aller Menschen auf Nahrung berücksichtigt wird.

 

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